Matti ist ganz in seinem Spiel versunken. Er liegt auf dem Bauch vor einer Spielzeuggarage und schiebt konzentriert Autos die Garagenrampe hinauf und strahlt über das ganze Gesicht, wenn ein Auto heruntersaust. Matti fühlt sich wohl im Sozialpädiatrischen Institut (SPI) des Klinikums Bremen-Mitte, in dem heute seine Denk- und Sprachentwicklung besprochen wird. Matti ist fünfeinhalb Jahre alt und hat das Down-Syndrom. Seit seiner Geburt kommen er und seine Eltern regelmäßig zur Vorstellung in die zum Institut gehörenden Down-Syndrom-Ambulanz, die am kommenden Freitag und Samstag Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland zur jährlichen Tagung der Fachgesellschaft nach Bremen eingeladen hat.
In dem Gespräch heute berät Kinderärztin Britta Grevesmühl und Psychologin Edna Palm mit Mattis Mutter, ob Matti schulreif ist und welche Art von Beschulung für ihn am besten geeignet sein könnte. Ist eine Förderschule das Richtige oder kommt eine Regelschule mit Inklusion in Frage? Die drei Erwachsenen sitzen mit Matti auf dem Fußboden des Behandlungsraums, der eher wie eine Mischung aus Bewegungsraum und Spielzimmer aussieht. Medizinisches, das Angst machen könnte, ist nicht zu sehen. Matti nimmt die Erwachsenen kaum wahr. Die Garage fordert seine ganze Aufmerksamkeit. Das sei nicht immer so gewesen, sagt seine Mutter. Manchmal sei er auch ängstlich und wolle nicht von ihrem Schoß weg. „Wir schauen immer, was an diesem Tag möglich ist und was eben nicht“, sagt Kinderärztin Britta Grevesmühl gelassen. Das sei bei allen Kindern tagesformabhängig. Heute ist aber ein guter Tag. Ohne Zögern geht Matti mit zum Messen und Wiegen. Dann ist Mattis Mutter wieder an der Reihe, gibt Einschätzungen zur Entwicklung seiner Kommunikationsmöglichkeiten, beantwortet viele Fragen über konkrete Fertigkeiten, über Einschränkungen und gesundheitliche Probleme.
Bei Mattis Familie entstand der Kontakt zur Down-Syndrom-Ambulanz im Wochenbett. Das Team der Down-Syndrom- Ambulanz bietet aber auch Gespräche mit werdenden Eltern an, die bereits wissen, dass ihr Kind diese Genveränderung haben wird. Ob das ärztliche Team, ob Psychologinnen, Physio- oder Ergotherapeuten, Logopädinnen oder Sozialpädagogen, in der Down-Syndrom-Ambulanz gucken, wie im gesamten SPI, Expertinnen und Experten ganz verschiedener Fachrichtungen gemeinsam auf die Entwicklung eines beeinträchtigten Kindes. Sie arbeiten mit niedergelassenen Kinderärzten, Therapeuten, Schulen, dem allgemeinen Hilfesystem und Elternvereinen zusammen, um die betroffenen Kinder möglichst umfassend unterstützen zu können. Gerade diese fachübergreifende Zusammenarbeit schätzt auch Mattis Mutter sehr: „Wir bekommen viele Tipps und unterstützende Angebote und fühlen uns rundum gut aufgehoben“, sagt sie.
Das Down-Syndrom ist eine genetische Besonderheit mit Entwicklungsstörung und einem erhöhten Risiko für körperliche Fehlbildungen und Erkrankungen, wie beispielsweise Herzfehler, Darmfehlbildungen, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Hör- und Sehstörungen oder immunologischen Auffälligkeiten. „Menschen mit Down-Syndrom haben mit komplexen körperlichen und entwicklungsmäßigen Auffälligkeiten zu leben, sie sind aber insgesamt genauso unterschiedlich, wie Menschen ohne Down-Syndrom“, sagt Britta Grevesmühl. Das Team behandelt im Jahr rund 100 betroffene Kinder und Jugendliche von der Geburt bis zur Volljährigkeit. Manche sehen sie regelmäßig, andere kommen nur in den ersten Jahren. Das sei ganz unterschiedlich, so die Kinderärztin.
Im Untersuchungsraum ist es inzwischen ruhiger geworden. Nach einer Trinkpause steht Matti plötzlich auf und zieht seine Jacke an. Unmissverständlich macht er damit deutlich, dass er nun genug hat und nach Hause will. Und er hat recht. Nach etwa anderthalb Stunden ist die Untersuchung beendet, nachdem die Expertinnen ihre Einschätzung ausführlich mit der Mutter besprochen haben. Die nächste reguläre Vorstellung wird erst in einem Jahr sein. Aber Mattis Mutter weiß, dass sie sich jederzeit an das SPI wenden kann, wenn Schwierigkeiten auftreten. „Für uns ist das beruhigend“, sagt sie.
Fachleute treffen sich ab Freitag in Bremen
Die Down-Syndrom-Ambulanz gibt es in Bremen bereits seit 1993. Damals waren Angebote dieser Art in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Heute ist das anders. 2022 wurde in Nürnberg die Deutsche Gesellschaft Down-Syndrom-Ambulanzen e. V. gegründet. Die jährliche Tagung der Fachgesellschaft findet in diesem Jahr in Bremen statt: Freitag und Samstag (23. und 24. Mai) treffen sich Fachleute aus ganz Deutschland in den Räumen des Martinsclubs, um über neue Entwicklungen zu sprechen. Gastgeber ist das SPI gemeinsam mit dem MZEB, dem Medizinischen Versorgungszentrum für Erwachsene mit schweren Behinderungen, das ebenfalls zum Klinikum Bremen-Mitte gehört.